„Kleinlich war es schon immer, das Glück“ ! (Günter Herburger)

07. 05. 2019

„Kleinlich war es schon immer, das Glück“ ! Eine Reflexion von Gaby Heilinger auf das Zitat von Günter Herburger



Gabriele Heilinger, Erste. Vorsitzende des Haus International, nahm im Rahmen der Isnyer Literaturtage 2019 am diesjährigen Schreibwettbewerb teil. Die in der Ausschreibung formulierte Aufgabe bestand daraus, folgendes Zitat von Günter Herburger zu reflektieren: „Kleinlich war es schon immer, das Glück!“
Das Kulturforum Isny e.V. stellte die Texte der Preisträger in gemütlicher Atmosphäre bei Kaffee und Klavierimprovisationen vor. 

Unser Interkulturelles Magazin möchte den eingereichten Text hiermit der großen Öffentlichkeit zugänglich machen:
Etwas in mir sträubt sich gewaltig, diese Aussage so anzunehmen oder sogar überhaupt, „das Glück“ und „kleinlich“ in einem Zusammenhang zu nennen. Um diese Barriere zu überwinden, würde es sich zunächst  gehören, beide Wörter zu definieren. Schauen wir uns doch einmal das Wort Glück an. Glück ist für mich zu allererst ein Zustand der inneren Zufriedenheit. Ich bin einfach glücklich, wenn meine Lebensumstände sich positiv gestalten und meinen Vorstellungen entsprechen.  Dazu gehören natürlich u. a. meine Familie, meine Freunde, meine Gesundheit sowie meine berufliche Situation. Würde ich in diesem Zusammenhang das Adjektiv kleinlich an die Seite meines Glückes stellen, würde ich dieses in Frage stellen. Mein Glück wäre zumindest eingeschränkt, ich wäre nicht mehr restlos glücklich.
 Eine andere Definition für Glück ist ein momentaner Augenblick, in dem mir das Glück hold ist. Ich bin z. B. einer augenblicklichen Gefahr entronnen, habe Glück gehabt, bin noch einmal davongekommen. Oder, ich habe beispielsweise bei einer Prüfung genau das besonders erlernte Thema bekommen und kann mich glücklich darüber auslassen, und die Prüfung erfolgreich abschließen. Ich habe Glück gehabt. Schicksalhafte Wendungen zum Positiven im Leben eines jeden Einzelnen werden gern als sogenannte Glücksfälle bezeichnet.  
Ja, und von diesen Momenten im Leben gibt es reichlich. Da kann ich nicht behaupten, dass das Glück schon immer kleinlich war.
Diese glücklichen Momente im Leben aber prägen uns und unseren Geist in gewisser Weise  nicht so sehr wie die sogenannten Schicksalsschläge. Das Leid, das uns in diesem Moment widerfährt, hinterlässt Spuren von bedeutendem Wert in unserem Bewusstsein. Richten wir uns hier nicht neu aus und hinterfragen den Sinn und die Bedeutung des Vorfalls und danken evtl. für die Erkenntnis, die daraus gezogen werden kann, so sind wir schnell geneigt, zu sagen: „Kleinlich war es schon immer, das Glück“. Und bei dieser Aussage und einer entsprechend inneren Einstellung können wir sicher sein, dass sich die These in uns manifestiert und unsere Art und Weise, Leben zu erfahren, negativ beeinflusst.
 Das Sprichwort: „Glück und Glas – wie leicht bricht das“ erinnert uns, dass man das Glück nicht festhalten kann. Man kann es nur mit zarten Händen empfangen und berühren. Wenn ich es ständig in den Händen halten wollte, wäre ich handlungsunfähig und könnte meinem Leben keine Glücksgefühl auslösenden Leistungen abfordern. Wer das Glück immer festhalten will, dem zerbricht es mit Sicherheit, und demjenigen liegt es dann bitter auf der Zunge: „Kleinlich war es schon immer, das Glück“.
Kleinlich findet seinen Ursprung im Mittelhochdeutschen und bedeutete zunächst einmal fein, genau. Heute verwendet man den Begriff im Sinne von pedantisch, übergenau, engherzig, zugeknöpft, geizig, ja korinthenkackerisch. Aufgrund dieser Synonyme würde ich sagen, dass Pessimisten das Glück als kleinlich empfinden, die Optimisten unter uns würden das Gegenteil behaupten: „Großzügig war es schon immer, das Glück“.
Als nächstes stellt sich die Frage: Wer will oder kann denn beurteilen, inwiefern Glück schon immer kleinlich war? Im Großen und Ganzen würde ich sogar sagen, dass es durchaus eine Frage des Bewusstseins ist, das Glück als kleinlich, oder gegensätzlich, als großzügig zu bezeichnen. Sicher kommt es auf die Erfahrungen eines jeden Einzelnen an, inwieweit sich sein Geist ausgerichtet hat. Was macht mich und wie lange und wie oft glücklich?
 Materielle Dinge gehören meiner Meinung nach nur sehr bedingt und niemals als einzige Kriterien zu den sogenannten „Glücksbringern“ , denn  im Leben kommt es nicht darauf an, was man besitzt, sondern darauf, was man tut. In diesem, der Materie entsprechenden, Zusammenhang,  könnte ich evtl. unterstreichen, dass Menschen das Glück als kleinlich betrachten, denn wir bekommen doch angeblich niemals genug. Haben wir ein ersehntes Stück in den Händen, verlangt unser Herz schon das nächste. Wir betrachten das bereits Errungene als „kleinlich“ und wollen mehr, Größeres, Schöneres. Sind wir allerdings von unseren Bedürfnissen dahingehend abhängig, dass wir jedes Bedürfnis sofort befriedigen wollen, werden wir nie Glück erfahren und uns so richtig freuen können. Es bleibt in diesem Falle eher ein dumpfes Gefühl, dass wir von außen her gelebt werden, statt selber zu leben.
Wer kennt nicht das Märchen von Hans im Glück? Sicher, es hat für mich etwas Irritierendes. Hans wird von allen über den Tisch gezogen, verliert sein ganzes Hab und Gut, und steht letztendlich aber doch nicht als der Dumme, sondern als der Glückliche, da. In dieser Geschichte steckt eine große Weisheit. Ich glaube, sie will uns klarmachen, dass es keinen festen Wechselkurs zwischen Besitz und persönlichem Glück gibt. Das Konto kann voll und die Seele leer sein. Nichts ist wechselhafter als äußere Umstände.
So bleibt die Frage: Wie macht man sein Glück. Wie hängt das Innere mit dem Äußeren zusammen? Ein schnelles Rezept gibt es nicht. Der geheime Schwerpunkt aller „Glücksgedanken“ ist für mich, erst einmal bei mir selber anzukommen, meine wirklichen Gefühle und Gedanken wahrzunehmen.  
Glück ist kein Ziel, zu dem man sich durchboxt, sondern Überraschung und Beigabe. Und unsere Gedanken und Emotionen entscheiden, ob es sich als „kleinlich“ oder „großzügig“ erweist. Man sollte sich manchmal die Augen reiben oder die dunkle Brille abnehmen, um das Glück als großzügiges Geschenk zu erkennen und anzunehmen. „Kleinlich“ will ich in diesem Zusammenhang einfach nicht in den Raum stellen.
 Die nichtmateriellen Dinge, nämlich geistige Werte wie Liebe, Freude, Freundschaft, Zufriedenheit  sind doch die Zustände, die uns Glück bescheren, und sogar in großzügigem, niemals kleinlichem, Maße. Hier könnte man vielleicht sagen, dass das Glück nicht immer nur am Ziel einer Reise zu finden ist, sondern manchmal auch auf der Reise selbst.  Unser Leben wird erst zum Erfolg, wenn wir frei und unabhängig sind. Erst wenn wir nicht mehr abhängig sind von dem, was andere über uns denken, von uns erwarten, und wenn wir nicht mehr abhängig sind von Anerkennung und Zuwendung  anderer Menschen, können wir das Ziel des Lebens erreichen: nämlich es zu genießen und in Folge dessen Glück zu erfahren.
Selbstverständlich fördern materielle Dinge, wie Besitz jeglicher Art, unsere Zufriedenheit und in gewisser Weise auch Sorglosigkeit. Wir können uns  weit entspannter in ein Glücksgefühl einlassen und unsere Gedanken und Gefühle entsprechend ausrichten. Die Art und Weise, unser Leben zu leben und unsere Einstellung zu unserer Umwelt, formt unseren Geist dahingehend, auf Ereignisse und Situationen während unserer Lebensreise, uns persönlich zuträglich, oder auch nicht, zu reagieren.
Ich glaube fest daran, dass das Geheimnis eines Lebens in Glück, aber nicht in „kleinlichem Glück“, von dem Weg abhängt, den wir auf unserer Lebensreise einschlagen. Dieser Weg muss allerdings unser ureigener Weg sein, nämlich der, den unser Herz wählt. Er führt vom „überall dabei sein“ zum „Dasein“ im eigenen Leben, sich selbst liebevoll zugewandt und offen für andere.  Erst dann bin ich zufrieden und empfinde  Glück im Übermaß.
Schon die Vorfreude darauf ist das reinste Glück.

Ich lege Widerspruch ein, Widerspruch gegen die Einschränkung des Glücks durch das Wörtchen „kleinlich“.

04.01.2019 / Gabriele Heilinger

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